Im Roten Brunnen Gässchen befindet sich in Richtung Main gehend auf der linken Seite ein bearbeiteter Sandstein von ca. 1,50m Höhe und mit einer rechteckigen Aushöhlung. Dass es sich um einen historischen Stein handelt ist gut erkennbar, doch welche Bedeutung und für welche Funktion dieser Stein erstellt wurde, ist nicht offensichtlich.
Der Stein wurde 2011 dorthin versetzt als die Gasse umgestaltet wurde. Vorher war er im Kortenbacher Weg als sogenanntes Heiligengehäuse, abgedeckt mit einem Kapitell-Stein auf dem sich ein gusseisernes Kreuz befindet.
Ehemaliger Bauhofchef und FHS Vorstandsmitglied Albert Kemmerer hat bei Renovierungsarbeiten des Heiligenstocks erkannt, dass der Stein früher eine andere Funktion gehabt haben muss. In dem eingegrabenen Teil des Steins kam die Jahreszahl 1838 zum Vorschein: ein Hinweis auf die Entstehungszeit?
Nach Recherchen im Stadtarchiv sowie Analyse der Bearbeitung des Steines wurde klar um was es sich handelt: es muss der untere Teil eines Brunnenstocks sein, der 1838 auf dem Marktplatz errichtet wurde.
Der Gemeinderat von Seligenstadt stellte in dieser Zeit fest, dass die Wasserversorgung der Bevölkerung im Argen lag. Die alten, hölzernen Pumpenstöcke an den öffentlichen Brunnen waren morsch geworden, sie bedurften einer grundlegenden Erneuerung. So beschlossen die Herren Räte, „Brunnen von Stein mit etwas besseren, monumentalen Charakter aufzustellen“. Die Pumpenstöcke sollen an Plätze an der Schafgasse, auf dem Marktplatz, an der Ecke der Vautheigasse und am Kirchhofsack errichtet werden.
Bauaufseher und Geometer Georg Fink aus Offenbach fertigte die Pläne und Kostenvoranschläge, vergab durch Versteigerung am 16. Juli 1838 die notwendigen Arbeiten an Handwerker. Die Zuschläge erhielten Adam Nessel für die Mauereiarbeiten zu 54 Gulden, Konrad Hock von Klein Wallstadt für die Steinhauerarbeiten zu 374 Gulden, Johann Friedmann für die Pumpenmacherarbeiten zu 229 Gulden, Sebastian Bieringer für die Schlosserarbeiten zu 29 Gulden, 30 Kreuzer. Der Weißbinder, der für 16 Gulden arbeitete, blieb unbenannt.
Am 15. September waren die Arbeiten vollendet und „die neuen Pumpenstöcke, ein vierkantiger Pfeiler mit vorspringendem Capitäl, worauf eine flach gehaltene Blattverzierung gearbeitet war, oben mit einer Kugel abgeschlossen und mit einem vasenförmigen Becher zur Aufnahme des abfließenden Wassers versehen, machten einen viel besseren Eindruck als die alten, runden Holzstöcke der Vergangenheit. Sie wären noch besser ausgefallen, wenn man den rothen Sandstein in seiner nathürlichen Farbe belassen, anstatt denselben gleich mit einer rothen Ölfarbenkruste zu überdecken.“
In enger Abstimmung mit dem Magistrat der Stadt und der Unteren Denkmalschutzbehörde wird den Brunnenstock im Rothen Brunnen Gässchen vom Förderkreis Historisches Seligenstadt wieder vervollständigt. Anhand der damaligen Konstruktionszeichnung von 1838, die im Stadtarchiv ausfindig gemacht wurde, konnten die fehlenden Sandsteinelemente rekonstruiert werden. Wenn auch die Funktion als Wasserspender ausbleibt, ist der Brunnenstock ein weiterer Mosaikstein zur Geschichte unserer Stadt. Der Pumpenstock zeigt, wie wichtig solche Brunnen für die Wasserversorgung der Bevölkerung waren, wo das kostbare Nass mit Eimern nach Hause gebracht werden musste.
Über finanzielle Unterstützung zur Wiederherstellung des Pumpenstocks wäre der Verein dankbar.
Quellen:
Stadtarchiv Seligenstadt; Publikationen von Marcellin Spahn